Pädagogische Revolution mit Bildungskonzept?

Aktionsbündnis für Bildung, Erziehung, Wissenschaft / Eltern, Pädagoginnen können und dürfen nicht warten / Mut, Phantasie, Ideen, Courage und Gefühl sind gefragt

Auf einem DDR-weiten Koordinierungstreffen von Vertretern bildungspolitischer Initiativgruppen für eine Bildungsreform von unten wurde der folgende Aufruf zu einer "pädagogischen Revolution" verabschiedet.

Wir Eltern, Kinder, Jugendliche und Pädagoginnen können und dürfen nicht warten.

Wir tragen Verantwortung für eine deformierte Gesellschaft.

Wir sehen, dass nach einer friedlichen Umwälzung allzu schnell die Verdrängung siegt und Konzepte von außen kritiklos übernommen werden.

Schon wieder werden uns Möglichkeiten genommen, einer, unabhängigen pädagogischen Weg zu finden.

Um uns wirksam in Europa einzubringen, müssen wir unsere Vergangenheit analysieren, um daraus zukunftsweisende pädagogische Konzepte abzuleiten.

Einige wichtige Bedingungen sind hierfür bereits geschaffen:

- das Ministerium für Bildung hat nur noch Richtlinienkompetenz;

- alle Bildungseinrichtungen haben die Möglichkeit, eigene Profile zu entwickeln und neue pädagogische Konzepte durchzusetzen;

- die Trennung der Bildungseinrichtungen von allen gesellschaftlichen Organisationen und Parteien ist strukturell erfolgt;

- verschiedene Bildungseinrichtungen haben Mitbestimmungsmodelle entwickelt und verwirklicht;

- Pädagoginnen haben die Möglichkeit, ihre Arbeit gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen eigenverantwortlich zu gestalten.

Diese Bedingungen gilt es zu nutzen und auszubauen. Deshalb rufen wir auf: Laßt die landesweite bildungspolitische Diskussion weitergehen und verschafft ihr Öffentlichkeit! Schafft in Euren Bildungseinrichtungen demokratische Strukturen! Steht für Eure Verantwortung ein und fordert eine öffentliche Rechenschaftslegung auf allen Ebenen der Volksbildung! Organisiert selbst umgehend vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten zur Förderung eines neuen pädagogisch-psychologischen Denkens! Kinder, Jugendliche, Eltern und Pädagoginnen, begreift Euch als Partnerinnen! Es geht um eine Pädagogik der Glaubwürdigkeit!

Nutzt die jetzt gegebene Chance für eine wahrhaftige pädagogische Revolution! Dazu brauchen wir Mut, Phantasie, Ideen, Zivilcourage, Stärke und Gefühl.

Die Bildung eines Aktionsbündnisses Bildung, Erziehung, Wissenschaft als eine landesweite Vereinigung von bildungspolitischen und pädagogischen Initiativgruppen von SchülerInnen, ErzieherInnen, Eltern, LehrerInnen, WissenschaftlerInnen, StudentInnen, Lehrlingen, technischem Personal und Angestellten sieht u. a. vor:

* Chancengleichheit für die Entwicklung eines jeden Menschen

* Recht auf lebenslange Bildung

* Recht auf soziale Geborgenheit und emotionale Zuwendung von Geburt an

* Achtung der Integrität/Unantastbarkeit der Persönlichkeit

* Bildungseinrichtungen, die nicht nur Institutionen für Wissensvermittlung, sondern auch Stätten für aktives und selbstbestimmtes Leben sind.

* Kampf gegen Ausgrenzung von Andersein und Andersdenken

* Demokratische Mitbestimmung in allen Bereichen von Bildung und Erziehung

* Entwicklung vielfältiger Möglichkeiten für Freizeitangebote, Öffnung der Bildungseinrichtungen für das unmittelbare soziale Umfeld

* Sicherung des Rechts auf berufliche Bildung.

Zur Arbeitsweise des Aktionsbündnisses heißt es:

* Das Bündnis (ABEW) richtet Koordinationsbüros ein, die untereinander gleichgestellt sind

* Das ABEW bildet einen Sprecherrat, der die Arbeit koordiniert; er setzt sich aus je einem Vertreter einer Gruppe zusammen

* Entscheidungen erfolgen im Konsensprinzip

* Die im Bündnis arbeitenden Gruppen und Initiativen behalten volle Souveränität

Dem Bündnis haben sich verschiedene unabhängige Lehrervereinigungen sowie Vertreter und Gruppierungen politischer Parteien/Verbände angeschlossen.

Zu erreichen über:
Unabhängiges Kontaktbüro
im Haus des Lehrers, Zi. 619
Telefon: (...)
Alexanderplatz 4
Berlin
1020

die tageszeitung, DDR-Ausgabe, Mo. 12.03.1990

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