Das Recht auf Wohnraum für jeden Bürger und seine Familie sichern
ND-Gespräch unmittelbar vor der Gründung des Mieterbundes der DDR am Mittwoch
Erste Anzeichen für Spekulationen mit Gebäuden und Grundstücken, die ins Haus stehende Marktwirtschaft sowie die Diskussion um Mieterhöhungen - unsere gegenwärtige Situation macht eines deutlich: Wir alle, die Mieter dieses Landes, bedürfen eines Schutzes. Wie er aussehen könnte, darüber sprach ND mit dem Hauptorganisator der Gründungsveranstaltung des Mieterbundes der DDR am 14. Februar und zugleich Vorsitzenden des Sprecherrates der Bürgerinitiativen für Stadterhaltung und -erneuerung, Dr. Arne Fellin.
Welches Ziel steht für den Mittwochabend im Haus der Demokratie im Wilhelm-Pieck-Saal bei dem Treffen, das um 20 Uhr beginnt?
Ein Mieterbund der DDR, der als Dachverband agiert und unter dem sämtliche landesweit bestehenden regionalen Mieterinitiativen und -vereine arbeiten. Zunächst geht es um das Kennenlernen und Vernetzen der verschiedenen Bürgeraktionen und natürlich auch um die Unterstützung bei der Herausbildung von neuen. Dazu werden verschiedene Themengruppen ihre Tätigkeit aufnehmen, so die für Koordinierung, für Mieterpolitik und für Musterstatuten sowohl der Regionalverbände als auch des Dachverbandes.
Haben Sie Vorbilder?
Wir knüpften Kontakte zum Deutschen Mieterbund der BRD. Es ist wohl nötig, von den positiven Seiten bürgerlicher Demokratie schnell zu lernen.
Mieterpolitik scheint ein sehr großer Komplex. Wo sehen Sie Schwerpunkte?
Zuerst kommt es, wie gesagt, auf die Schaffung von Organisationsstrukturen an. Nur ein starker Mieterbund kann wirklich Schutz geben und seine Forderungen massiv an verfassunggebende Organe richten.
Wofür setzen Sie sich denn ein?
Für den Fortbestand des verfassungsmäßig garantierten Rechts auf Wohnraum für jeden Bürger und seine Familie, für ein soziales Mietrecht, das Schutz vor Kündigung, ungerechtfertigter Mieterhöhung und Wohnungsspekulation bietet und für eine auf kommunalem Eigentum und Verfügungsrecht basierende Bodenpolitik.
Forderungen allein reichen da wohl kaum aus . . .
Der Mieterbund bzw. die regionalen Mieterschutzvereine müssen ihre Mitglieder in den Parlamenten vertreten. Zur Zeit sind die Runden Tische noch der richtige Ort. Eine weitere Aufgabe, die in der Zukunft stärkeres Gewicht erhält, ist die Rechtsberatung für die Wohnungsnutzer. Dazu brauchen wir ein großes Team an Soziologen, Ökonomen und vor allem Juristen.
Bedeutet die Bildung von Mietergenossenschaften nicht einen ganz praktischen Schutz für die Leute in den jeweiligen Häusern?
Zur Zeit sind uns noch keine praktikablen Lösungen für Mietergenossenschaften bekannt. Die Rechtssituation, die noch von der KWV vorgeschrieben wird, kann allerdings für die verschiedenen Initiativgruppen - ich denke da nur an die Leute aus der Spandauer Vorstadt, genauer aus der Mulackstraße, oder jene aus der Oderberger, Rykestraße und Schönhauser Allee 20/21 - nicht akzeptabel sein. Das geltende Genossenschaftsrecht ist nämlich aus dem Jahre 1889. Hier muss sich schnellstens etwas tun. Dazu kommt, dass die KWV selbst Häuser, die sie ursprünglich mal sprengen wollte, nun nicht aus ihren Händen gibt. Sie besitzt eben ein richtiges Monopol. Wählbarkeit der Vertreter der Kommunalen Wohnungsverwaltung durch die Bürger scheint uns die Möglichkeit, dort einer Verselbständigung entgegenzuwirken.
Für ND fragte
Sabine Schulz
Neues Deutschland, Di. 13.02.1990, Jahrgang 45, Ausgabe 37