Abschlusserklärung des deutsch-deutschen Aktionsseminars vom 1. Juli 1990
Zeitgleich mit der Herstellung der Währungsunion im neuen Deutschland haben sich in Berlin, Hauptstadt der DDR, Mitglieder aus verschiedenen oppositionellen Gruppen aus dem Spektrum der Frauenbewegung, der Bürgerbewegung, der Grünen und der Linken zu einem ersten gemeinsamen Aktionsseminar getroffen. In der Einladung zu diesem Treffen hieß es: "Die Ergebnisse der Herbstrevolution in der DDR haben dazu geführt, dass die Oppositionellen wieder in der Minderheit sind und erfordern eine neue Gemeinsamkeit. In der von uns kaum beeinflussbaren Schnelligkeit der politischen Umbrüche blieben viele Differenzen unausgesprochen bestehen, behindern uns als emotionales Unbehagen im Umgang miteinander. Zu Differenzierungen innerhalb der DDR-Opposition gesellen sich ähnliche und andere innerhalb des oppositionellen Spektrums der BRD. Deshalb halten wir eine Diskussion gerade über strittige Positionen für notwendig, bevor wir uns in größerem Rahmen über die Fülle von Sachfragen verständigen, die unsere künftige politische Arbeit beherrschen muss."
Themen der Diskussion waren u.a. das Verhältnis von gesellschaftlicher Utopie und Parlamentarismus, die Ähnlichkeiten und Widersprüche zwischen Bürgerbewegungen und Parteien und die Formen künftiger deutsch-deutscher Kooperation.
Am Ende des Seminars stellen wir fest, dass durch den hier eingeleiteten Verständigungsprozess eine tragfähige Basis für weitere Treffen und mögliche gemeinsame Aktivitäten gelegt werden konnte.
In der Debatte haben sich Vorschläge für gemeinsame politische Aktivitäten im Herbst herauskristallisiert.
- Eine Oppositionskonferenz des gesamten oppositionellen Spektrums aus DDR und BRD zu den Folgen des Anschlusses. Auf dieser Konferenz soll es um konkrete politische Eingriffsmöglichkeiten in den verschiedenen Problemfeldern wie AusländerInnenfeindlichkeit, Erwerbslosigkeit, Monopolisierung der Energiewirtschaft, [§] 218, die internationalen Auswirkungen des neuen Großdeutschland etc. gehen. In diesem Rahmen sollen auch die Verfassungsvorschläge des Runden Tisches erneut in die öffentliche Diskussion gebracht werden.
- Eine deutsch-deutsche Demonstration gegen die Folgen des Anschlusses wird voraussichtlich von einem breiten Frauenbündnis für den Herbst vorbereitet. Dies wurde von den Anwesenden begrüßt und soll aktiv unterstützt werden.
- Weiter wurde vorgeschlagen, parallel zu dem Vereinigungsprozess einen gesamtdeutschen "Runden Tisch" der Opposition einzurichten.
Vom Bundesvorstand der GRÜNEN (BRD) wurde ein geplanter Verfassungskongress/multikulturelle Gesellschaft vorgestellt und zu einem breiten Trägerkreis aufgerufen. Dies wurde von den Teilnehmern begrüßt.
Über diese Vorschläge soll in den einzelnen Gruppen weiter diskutiert werden. Ein weiteres Treffen wurde vereinbart. Dazu sollen verstärkt auch VertreterInnen sozialer Bewegungen und Initiativen eingeladen werden.
Diese Erklärung wird von folgenden Personen unterstützt:
R. Schult (NF), D. Schulze (PROWO), C. Wiegrefe (PROWO), K. Splitt (UFV), Ch. Reymann (Sozialistisches Forum), M. Seelig (VL), U. Graf (Die Grünen), Th. Siepelmeier (Bundeskonferenz entwicklungspolitischer Gruppen Buko), W. Rosenke (Buko), U. Wolf (AL), R. Börner (PDS), H.‑Ch. Ströbele (AL/GRÜNE), R. Künast (AL), S. Endmann (AL), V. Ratzmann (AL), Ch. Schindler (UFV), T. Krone (NF), B. Arkenstette (AL), V. Vordenbäumen (AL), J. Demba (Grüne Partei), R. Rosenthal (Grüne Partei), M. Mäde (VL), U. Poppe (DJ), V. Krieger (Grüne), H.-H. Teichler (KB), H. Wolf (AL), M. Groß (Grüne), B. Gehrke (VL), H.J. Selle (DJ), B. Florath (NF), C. Gohde (KB), H. Rühle (Grüne), C. Reindel (KB), H.J. Fischbeck (DJ), M. Stamm (GAL), D. Hummel (Grüne)
Berlin/DDR, den 22.07.1990
aus: PROWO, Projekt Wochenzeitung, Nr. 5, 30.08.1990