Dem Schicksal unseres Volkes und der Zukunft verpflichtet
Presseerklärung von Erstunterzeichnern des Aufrufs "Für unser Land"
Berlin (ADN). Erstunterzeichner des Aufrufs "Für unser Land" trafen am Dienstag [23.01.1990] zusammen, um Bilanz zu ziehen. Sie übermittelten ADN folgende Presseerklärung:
Bis zum selben Tag wurde der Aufruf von 1 167 048 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet. Darunter waren auch 18 960 Schülerinnen und Schüler, die ihre Zustimmung auf gemeinsamen Listen, zum Teil auch mit ihren Lehrern zusammen, bekundeten. Kritische Hinweise und Anfragen zur Praxis solcher Listensammlungen in Schulen veranlassen uns, diese Zahl gesondert auszuweisen. 9 273 ablehnende Stimmen erreichten die Organisationsgruppe. Wir danken allen freiwilligen Helfern recht herzlich. Viele Bürgerinnen und Bürger gaben nicht nur unserem Aufruf ihre Zustimmung, sondern teilten uns ihre Gedanken, Sorgen, Wünsche und auch Befürchtungen mit. Tief berührt von dem uns tausendfach entgegengebrachten Vertrauen bitten wir um Verständnis, dass wir wirklich nicht in der Lage sind, diese Zuschriften allesamt zu beantworten. Mit Zorn nehmen wir zur Kenntnis, dass sich die Organisatoren wiederholt über die Medien gegen zum Teil massive Versuche zur Wehr setzen mussten, unseren Aufruf einseitig parteipolitisch zu missbrauchen. Mancher äußerte Bedenken ob der alternativen Form unseres Appells. Es ging uns nicht um eine neue Schwarz-Weiß-Malerei, sondern um die vielleicht etwas zugespitzte Darstellung eines realen Problems, vor dem wir alle in unserem Land stehen. Unser Aufruf sollte natürlich keineswegs einen Volksentscheid oder ähnliches darstellen, und sein Ergebnis kann auch nicht so gewertet werden. Uns ging es vielmehr darum, die gesellschaftliche Diskussion über das Schicksal unseres Volkes und seiner Zukunft anzuregen und zu beeinflussen. Die Diskussion ist in beiden deutschen Staaten im Gang. Dieser Ansatz tiefen Nachdenkens in der demokratischen Volksbewegung wird in produktiver Sorge fortgesetzt, denn die Frage besteht nach wie vor, heute in noch weit schwierigerer Form, geht es doch um das Voneinander-Lernen, um das Aufeinander-Zugehen. Wir wollen dabei die antifaschistischen und humanistischen Ideale erhalten wissen, von denen wir einst ausgegangen sind.
aus: Sächsische Zeitung, Nr. 21, 25.01.1990, 45. Jahrgang, Tageszeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur, Herausgeber: Verlag Sächsische Zeitung