Dr. Eva Schäfer, Sprecherin des UFV:

Im Anpassungsprozess sind Frauen sehr benachteiligt

Eva, du sitzt an zwei Runden Tischen, dem Runden Tisch von unten und dem frauenpolitischen Runden Tisch. Was sind an beiden die Arbeitsschwerpunkte?

Mein Anliegen ist, auch am Runden Tisch von unten, Fragen aus Frauensicht einzubringen, z. B, unsere Sicht auf den Golfkrieg, die sich ausdrückt in unserer Aktion, mit der wir Frauen zur Verweigerung einer möglichen Dienstverpflichtung im Verteidigungsfall (GG Art. 12a (a)) aufrufen.

Am frauenpolitischen Runden Tisch konzentrieren wir uns ganz auf die Probleme der Frauen, die bei der Anpassung der ostdeutschen Länder an die westdeutschen besonders benachteiligt sind. Dabei geht es uns nicht darum, soziale Auffangnetze zu knüpfen, sondern die den Frauen zustehenden gleichen Rechte und soziale Bedingungen einzufordern. Ich selbst arbeite in der Gruppe "§ 218". Es geht uns hier um das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frauen, nicht allein um den §nbsp;218, der selbstverständlich in den westdeutschen Ländern fallen muss und bei uns gar nichts zu suchen hat.

Was sind eure konkreten Vorschläge zum Schwangerschaftsabbruch?

Wir schlagen nicht vor, Frauen haben das Recht zu fordern. Ehemalige DDR-Frauen zumal. Wir haben seit 1972 quasi das "Gewohnheits"-Recht, frei entscheiden zu können, ob und wann wir Kinder haben wollen. Davon gehen wir nicht ab. Warum auch?

Wir sind keine unmündigen Bürgerinnen, auch wenn es seit dem 9. November 1990 permanent den Anschein hat. Gesamtdeutsch soll jetzt über die Hintertür einer Pflichtberatung der § 218 eingeführt werden. Ich möchte noch einmal klar sagen, Pflichtberatung heißt, dass jede schwangere Frau vor ihr völlig fremden Menschen von ihren Lebensumständen erzählen muss, erklären muss, warum, wieso, weshalb sie ein Kind haben will oder nicht. Psychoemotionale Begleitung muss von der Frau auf eigenen Wunsch wahrzunehmen sein und darf kein vorgeschriebenes Ziel haben.

Frauen haben noch andere Probleme in ihrem Leben, außer dem möglichen Schwangerschaftsabbruch.

Ja, deshalb haben wir schon im August 1990, in Reaktion auf den Staatsvertrag, in einem Offenen Brief an die Volkskammer und andere staatliche und gesellschaftliche Stellen aufgelistet, welche Recht wir als Frauen uns nicht nehmen lassen wollen. Das sind: das Recht auf Erwerbstätigkeit, auf Kinderbetreuung in selbstgewählter Form, das Recht der Rentnerinnen auf eine menschenwürdige Lebensqualität und andere soziale Forderungen, die für den UFV Grundvoraussetzungen für Frauenemanzipation sind. Eine Arbeitsgruppe unseres Tisches beschäftigt sich deshalb direkt mit dem Thema Frauenerwerbstätigkeit bzw. ihrem zunehmenden Abbau.

Welche Frauen arbeiten am frauenpolitischen Runden Tisch zusammen?

Der Anspruch war und ist, Frauen aus allen Bewegungen, Organisationen, Gewerkschaften, kirchlichen Einrichtungen, auch Parteien und einzelne Fachfrauen an einen Tisch zu bringen, damit Frauen ihre Interessen parteien- und ideologieübergreifend begreifen und gemeinsam handeln können. Bislang halten Parteien sich noch bedeckt, abgesehen von der PDS. Im Sinne des Aufeinanderzugehens öffnen wir uns auch den Frauen aus den westdeutschen Ländern.

PODIUM – die Seite der und für die BürgerInnen-Bewegungen, Initiativen und Minderheiten in der Berliner Zeitung, Nr. 43, Mi. 20.02.1991

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