Unentgeltlicher Anteil am Eigentum für jeden Bürger

Privatisierung des Volkseigentums zur Absicherung des sozialen Systems und für Marktwirtschaft notwendig

Am Montag hat der Runde Tisch ein "Paket" geschnürt und es der Regierung der DDR übergeben. Das Paket enthält Vorschläge zur Privatisierung des Volkseigentums zugunsten der Bürger der DDR, darunter einen Gesetzentwurf, der von der in der SPD arbeitenden Projektgruppe "Privatisierung des Volkseigentums" eingebracht wurde. Junge Welt sprach mit dem Leiter dar Projektgruppe, Horst Schneider.

Warum dieser Gesetzentwurf?

Die Zeit drängt. Wir wollen die soziale Marktwirtschaft Dazu muss die Wirtschaft der DDR schnell zu einem vollständigen kapitalwirtschaftlichen System umgebaut werden. Vier wichtige Probleme müssen dabei gelöst werden, die von existentieller Bedeutung für die DDR-Bürger sind: der Erwerb und die Sicherung persönlichen Eigentums, die Mietreform, der Subventionsabbau und die Öffnung zu den internationalen Märkten. Unsere Projektgruppe hat dazu seit Dezember Vorarbeiten geleistet, mit verschiedenen internationalen Finanzökonomen abgestimmt und den Kern des Vorhabens am 4. Februar in der Berliner Golgathakirche einem internationalen Publikum vorgestellt.

Wie soll die Privatisierung nun vor sich gehen?

Nach unseren Vorstellungen soll eine Geschäftsbank mit etwa 20 Töchtern, sogenannten Holding-Gesellschaften, an der Spitze stehen. Die Holdings teilen die Betriebe oder deren Aktien untereinander auf. Der privatrechtliche Eigentümer - mit der treuhänderischen Bank an der Spitze - sind die Bürger der DDR. Das Eigentum wird ihnen unentgeltlich übergeben.

Nun hat der Ministerrat der DDR ja Donnerstag den Beschluss gefasst, dass die volkseigenen Betriebe in Kapitalgesellschaften bzw. GmbH umgewandelt werden sollen. Ist damit nicht Ihr Vorschlag realisiert?

Wir begrüßen diesen Beschluss, weil er in die richtige Richtung geht. Die Regierung hat damit ein Zeichen gesetzt: Sie stimmt mit dem Runden Tisch überein, dass das Volkseigentum gerettet werden muss. Doch die Grundfrage - nämlich die nach dem Eigentümer - ist damit nicht beantwortet. Das kann sowieso nur ein legalisiertes neues Parlament entscheiden. Auch der für uns wichtigste Punkt - nämlich die Absicherung des sozialen Systems - ist davon nicht erfasst. Letzten Endes bleibt die Frage, wie das Volkseigentum zu retten ist, unbeantwortet. Deshalb ist es so wichtig, dass unser Gesetzentwurf, der das alles beinhaltet, öffentlich diskutiert wird.

Was sieht der denn vor?

Also klar ist, dass das von den DDR-Bürgern erarbeitete Vermögen gesichert werden muss. Deshalb soll der Staat DDR oll sein Geld- und Sachvermögen, das nicht unmittelbar staatlichen Aufgaben dient, an seine Bürger übergeben. Dies muss vom neuen Parlament beschlossen werden.

Wer hat Anspruch darauf?

Alle Bürger erhalten gleichwertige Anteile. Anspruchsberechtigt ist jeder, der am Tage der Eigentumsübertragung Bürger der DDR ist und einen Wohnsitz in der DDR hat. Wer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes seinen Lebensunterhalt ohne gesellschaftliche Veranlassung außerhalb der DDR in frei konvertierbaren Währungen verdient, wird von der Verteilung ausgeschlossen. Anspruchsberechtigt sind weiterhin alle vor dem 1. November 1990 geborenen Kinder, deren Mütter die Bedingungen, die vorher genannt wurden, erfüllen.

Welche Aufgaben soll die Bank übernehmen?

Ihr wird das Vermögen treuhänderisch übergeben. Neben der Privatisierung muss sie die Sanierung und Konkursverwaltung von Betrieben, Unternehmen und Immobiliengesellschaften übernehmen. Ihr vordringlicher Auftrag ist es, Fremdkapital zur Sanierung aller Geschäftsbereiche über Industriebeteiligungen und Verkäufe heranzuziehen. Und: Für eine Übergangszeit übernimmt die Bank bisher von den Erträgen ihres Eigentums geleistete Sozialzahlungen und Subventionen, die die Eigentümer, also die Bürger, als Kapitalrendite in monatlichen Raten erhalten.

Was, wenn sich Fremdkapital am Eigentum der Bank (also der Bürger) beteiligen will?

Dies ist nach unserem Entwurf nur möglich und natürlich erwünscht in Bezug auf die Wirtschaftsbetriebe. Was die Wohnimmobilien betrifft, ist dies nicht zugelassen. Denn das ist ja unser Ziel: Dass hier keiner kommen darf, der unsere Mieten hochschraubt.

Kann man seinen Anteil verkaufen?

Nein. Der Vermögensanteil ist mindestens für fünf Jahre nicht handelbar. Das ist einfach notwendig, um Spekulationen damit zu verhindern. Im übrigen können wir uns gut vorstellen, dass die meisten Bürger ihre Anteile dazu benutzen werden, ihre (oder eine) Wohnung zu erwerben. Denn, wie gesagt, es geht um die soziale Absicherung.

(Das Gespräch führte
Sabine Sauer)

P. S: Hinweise und Vorschläge zum Gesetzentwurf können gerichtet werden an

Horst Schneider
PSF 64
Berlin 1080

Gesetzentwurf Volkseigentum

Junge Welt, Sa. 03.03.1990, Sozialistische Tageszeitung

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