Bündnis 90

In der DDR gab es Bestrebungen mit eigenen Kandidaten an Wahlen teilzunehmen. Hierzu wurde versucht die eigenen Kandidaten auf der Liste der Nationalen Front zu platzieren.

Von staatlicher Seite wurde das aber unterbunden. Es gelang nur einem Kandidaten für die Kommunalwahl im Mai 1989 auf die Wahlliste zu gelangen. Dies auch nur, weil er als Einzelbewerber auftrat und nicht als Mitglied einer Gruppe. Die Staatssicherheit hatte ihn als Einzelperson aus den Augen verloren.

Nach den vergeblichen Versuchen auf der Liste der Nationalen Front zu gelangen und den Protesten gegen die Wahlfälschungen der Kommunalwahl im Mai 1989, sollte bei der nächsten Wahl, 1990 stand die Wahl zur Volkskammer an, eine eigene Liste aufgestellt werden.

Die Absicht wurde in der gemeinsamen Erklärung vom 04.10.1989 bekräftigt. Am 03.01.1990 wurde vom Demokratischen Aufbruch (DA), Demokratie Jetzt (DJ), der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM), dem Neuen Forum, der Sozialdemokratischen Partei (SDP) und der Vereinigten Linken (VL) ein Wahlbündnis 90 beschlossen, doch dieser Beschluss war schon nach wenigen Tagen hinfällig. Der SDP-Vertreter, Martin Gutzeit weigerte sich zu unterschreiben, Ibrahim Böhme unterschrieb stattdessen. Die SPD drängte die SDP bereits nach der 10-Punkte Erklärung des damaligen Bundeskanzlers Kohl im November 1989 auf mehr Eigenständigkeit. Der DA und die SDP sahen Ende 1989 die anderen Gruppierungen als hinderlich für die eigene Profilierung an. Am 07.01.1990 zog die VL ihre Unterschrift zurück.

Am 07.02.1990 einigten sich Demokratie Jetzt, die Initiative Frieden und Menschenrechte sowie das Neue Forum auf ein Wahlbündnis zu den Volkskammerwahlen am 18.03.1990 mit dem Namen Bündnis 90. Laut Ludwig Mehlhorn war Demokratie Jetzt die erste Gruppe, die bereit war auf ihren Namen zugunsten von Bündnis 90 zu verzichten.

Nach einer Aussage von Stephan Bickhardt stammt der Name "Bündnis 90" von Klaus Wolfram.

Ein Wahlprogramm wurde am 16.02.1990 vorgestellt. Bündnis 90 verordnete sich "außerhalb des importierten Parteiendreiecks" und sah sich als "Kern der in der DDR gewachsenen Opposition". Eine Koalition mit PDS und der "Allianz für Deutschland" wurde ausgeschlossen. Es wurde eine soziale und ökologische Marktwirtschaft befürwortet. Eine Vereinigung beider Deutscher Staaten sollte nicht so schnell wie möglich, sondern so gut wie möglich erfolgen. Anpassungsschritte wurde von beiden deutschen Staaten gefordert. Eine NATO-Mitgliedschaft eines vereinten Deutschland abgelehnt.

Als Wahlkampfzuschuss im 1. und 2. Quartal 1990 beantragte das Wahlbündnis Bündnis 90 13,2 Millionen Mark beim Ministerium der Finanzen, die auch bewilligt wurden.

Wie bei allen Wahlbündnissen mit einer gemeinsamen Liste blieben Spannungen und Enttäuschungen nicht aus. Aufgrund der Wahlbündnisarithmetik werden Listenplätze manchmal von Personen besetzt deren Organisation vor Ort nicht oder kaum vorhanden ist. Eigene Ambitionen müssen zurückgesteckt werden. Wovon die Menschen in den Wahlbündnissen Bund Freier Demokraten, Bündnis 90, Grüne Partei/Unabhängiger Frauenverband und Vereinigte Linke/Die Nelken ein Lied singen konnten.

Von der bundesdeutschen CDU wurde das Bündnis 90 in Anspielung auf das Wahlbündnis "Allianz für Deutschland" nach der Volkskammerwahl am 18.03.1990 zusammen mit der PDS als "Allianz für die DDR" verspottet.

In der Volkskammer bildete Bündnis 90 mit den Grünen eine Fraktion Bündnis 90/Grüne. Die Aufnahme des einzigen Abgeordneten der Vereinigten Linken in der Volkskammer in die Fraktion wurde verweigert. In die Volkskammer brachte die Fraktion ein Gesetz ein, nach dem alle Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst bis zum 32.12.1990 befristet wurden. Die leitenden Stellen sollten neu ausgeschrieben werden. Verbunden mit einer Auskunft über die Parteizugehörigkeit und einer Loyalitätserklärung.

Im Laufe des Jahres 1990 gab es Bestrebungen aus dem Wahlbündnis eine politische Vereinigung zu formen. Widerstand dagegen kam vor allem vom Neuen Forum.

Der Republiksprecherrat des Neuen Forum formulierte am 15.08.1990 Forderungen für das Zustandekommen eines Wahlbündnis zu den Landtagswahlen und der gesamtdeutschen Wahl.

Die Wahlplattform-Kommission stellte in ihrem Entwurf am 28.08.1990 die Behauptung auf, die Bürger- und Bürgerinnenbewegung der DDR hätte den Anstoß für die friedliche Revolution in der DDR gegeben.

Nachdem die Verhandlungen nicht so richtig vorankamen, bildete sich am 20.07.1990 in Berlin-Pankow eine "Basisinitiative - Bürgerbündnis". Sie umfasste ca. 40 Mitglieder. Um auf ihr anliegen aufmerksam zu machen und Druck aufzubauen, veranstaltete sie "Bürgerbündnis - Basistreffen". Am 09.09.1990 wurde dann die politische Vereinigung "Bündnis 90" ins Leben gerufen.

Auf der Delegiertenversammlung des Neuen Forum am 23.09.1990 wurde dem Sprecherrat und der Verhandlungsdelegation das Mandat entzogen. Der neu bestimmten Verhandlungsdelegation wurde aufgetragen sich konstruktiv an den Verhandlungen zu beteiligen.

Ende 1990 war Startschuss für die zweiwöchentlich erscheinende Zeitung "Bündnis 2000". Herausgegeben von Demokratie Jetzt und der Initiative Frieden und Menschenrechte. Hinzu kam das Neue Forum Sachsen. Mit der Grünen Liga gab es eine Zusammenarbeit.

Für die acht ostdeutschen Abgeordneten von Bündnis 90 und der Grünen Partei reichte es nach der Bundestagswahl 1990 nicht zu einem Fraktionsstatus. Sie bildeten eine Bundestagsgruppe. Die Westgrünen waren an der 5 % Hürde gescheitert.

Der Antrag auf der ersten Sitzung des Deutschen Bundestages am 20.12.1990 die Fraktionsstärke auf 7 herabzusetzen wird elegant an den Ältestenrat überwiesen. Die bisherige Geschäftsordnung mit der Mindestanzahl von Abgeordneten für eine Fraktion wird angenommen.

Auch der Antrag, die Zählung der Wahlperioden des Deutschen Bundestages nicht fortzuführen, sondern nunmehr mit der 1. Wahlperiode neuer Zählung zu beginnen wird an den Ältestenrat überwiesen.

Nach den mageren Wahlergebnissen im Jahr 1990 und dem zunehmenden Mitgliederschwund wurde der Ruf nach einer Fusion immer lauter.

Anfang Februar 1991 beschließen DJ und IFM ihre Vereinigung bis Oktober 1991 unter dem Namen "Bündnis 90". Auf einer Konferenz am 28.-29.06.1991 in Berlin werden weitere Weichen, z. B. Bildung von Arbeitsgruppen, zur Gründung des Bündnis 90 gestellt. Über einen ersten Satzungsentwurf und über Thesen für eine gemeinsame Bürgerbewegung Bündnis 90 wurde diskutiert. Bis zum Hebst 1991 sollte die organisatorische Gründungsvorbereitung abgeschlossen sein. Das Neue Forum wurde zur Mitarbeit eingeladen.

Am 21.-22. September 1991 wird dann das Bündnis 90 in Potsdam aus der Taufe gehoben. Ihm schließen sich auch Teile des Neuen Forum an. Es wird eine Willenserklärung "Vollenden und aufbrechen" und der "Grundkonsens" verabschiedet.

"Wir erheben den Anspruch, dass neben der Parteiendemokratie neue Formen der politischen Meinungsbildung notwendig sind. Dem Berufspolitikertum setzen wir die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger entgegen, die aus ihrer Alltagserfahrung besser wissen, was für sie gut und hilfreich ist." Und, "Wir haben den Begriff 'Bürgerbewegung' neben dem Parteienbegriff in das politische Leben in Deutschland eingeführt und wir halten aus gutem Grund daran fest: Unser Konzept der Mitgestaltung des politischen und sozialen Ganzen unterscheidet sich vom Selbstverständnis der Parteien, geht aber auch über den begrenzten Anspruch von lokalen Bürgerinitiativen hinaus. Deshalb: Das Bündnis 90 wird eine wählbare politische Vereinigung sein, die sich weitergehender, als es bisher die Parteimodelle vermochten, den Anliegen und Initiativen der Bürgerinnen und Bürger öffnen wird."

Die IFM soll zu diesem Zeitpunkt rund 150, DJ ca. 600 und das NF etwa 5 000 Mitglieder gehabt haben. Das NF blieb aber im Gegensatz zu der IFM und DJ als eigenständige Organisation bestehen. Nicht alle vom Bündnis 90 traten der Partei Bündnis 90/Die Grünen bei. Die Mehrheit des Bündnis 90 in der Rostocker Bürgerschaft verweigerte sich.

Bei der Bildung einer gemeinsamen Organisation von Bündnis 90 und den Grünen wurde lange darüber gestritten ob die Organisation Bündnis 90/Die Grünen oder Die Grünen/Bündnis 90 heißen soll. Solange keine Einigung erzielt wurde, wurde von der "Gemeinsamen Organisation" (GeOrg) gesprochen.

Im Mai 1992 fand der 1. Kommunalpolitische Kongress von Bündnis 90 statt. Ebenfalls im Mai findet in Berlin die erste Bundesdelegiertenkonferenz statt. Es wird ein Zusammen gegen mit den Grünen beschlossen und eine Verhandlungskommission gebildet.

Im wirtschaftspolitischen Grundsatzprogramm des Bündnis 90 Landesverband Brandenburg vom 28.03.1992, wird eine konzertierte Aktion gefordert um die Lohnkosten in den Neuen Bundesländern zu bremsen. Im März 1993 forderte der Landessprecherrat Berlins in einem offenen Brief die Alternative Liste Berlin auf eine klare Haltung zur Gewalt zu beziehen. Hintergrund war ein Anti-Olympiabewerbungsvideo.

Am 24.08.1992 schrieb der Bundessprecherrat der Bürgerbewegung Bündnis 90 einen Offenen Brief an die Friedensbewegung.

Auf der außerordentlichen Delegiertenkonferenz vom 16./17.01.1993 in Hannover wird beschlossen den Assoziationsvertrag den Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen.

Für das Bündnis 90 wurde die bei den Grünen gültige Frauenquote und die Regelung zur Trennung von Amt und Mandat ausgesetzt. Juristisch ist das Bündnis 90 durch den Assoziationsvertrag den Grünen beigetreten. Am 23.11.1992 wurde der Vertrag von den Vorständen beider Organisationen in Bonn unterzeichnet. Im April 1993 wurde der Vertrag in einer Urabstimmung beider Organisationen gebilligt. Politisch sollte es aber ein Zusammenschluss zweier gleichberechtigter Organisationen sein. Was aber in der Wirklichkeit scheiterte. Am 16.05.1993 fand der Vereinigungsparteitag in Leipzig statt.

Im Zuge der Vereinigung wurde der Bildung eines "Forum-Bürgerbewegung" innerhalb der Partei zugestimmt. Die Gründung des "Forum-Bürgerbewegung" erfolgte am 16.10.1993 in der Humboldt-Universität zu Berlin.

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