Fr. 18. Mai 1990

• • Der Staatsvertrag der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wird unterschrieben

    • Der Staatsvertrag zwischen der DDR und der BRD zur Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ist am Freitag im Bonner Palais Schaumburg von den Finanzministern beider deutscher Staaten Walter Romberg und Theodor Waigel unterzeichnet worden. An der Zeremonie nahmen DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière und BRD-Bundeskanzler Helmut Kohl teil.
      (Neues Deutschland, Sa. 19.05.1990)

      Der Vertrag wird durch verbindliche Leitsätze ergänzt.

  • Demonstration von Bauern

    • Freitag Nachmittag an der F 184 Richtung Helmstedt: Nichts geht mehr! Vor und hinter Leitzau sperren K 700 und Mähdrescher die vielbefahrene Strecke. Bauern-Demo auf dem Markt!

      "Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie poppig aufgemachte Agrarprodukte aus dem Westen in unseren Läden überhandnehmen. Ist der Handel der DDR noch unser Partner oder kriegen dort einige schon harte Provision, damit sie qualitätsgerechtes Gemüse, Molkerei- und Fleischprodukte unserer Erzeuger nicht mehr abnehmen?", fragt Ilse Pregla (DBD-Ortsgruppenvorsitzende), eine der Organisatoren der Aktion.

      "Lothar - schick uns nicht in die Misere!" ist auf einem Transparent zu lesen, das die Ängste der Leitzkauer Bauern auf einen Nenner bringt. Große Zustimmung findet deshalb Bereichsleiter Rüdiger Friedrich von der LPG (T) mit seiner Forderung: "Wir müssen gemeinsam - Produzenten und Verbraucher - darum kämpfen, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen." "Warum bietet man neben dem Hollandgemüse nicht auch unseren Salat oder Kohlrabi an, anstatt sie unterzupflügen oder zu verfüttern?", ruft er in die Menge.

      Unverhohlen bringen die Bauern und andere Dorfbewohner ihre Enttäuschung über die übereilte Unterzeichnung des Staatsvertrages zum Ausdruck, der Grundinteressen der Bauern ignoriert. "Solange die Eigentumsfrage nicht geklärt ist, Mindestpreise und Schutzzölle sowie Lizenzquoten für Im- und Export von Agrarprodukten nicht gewährleistet werden, sind unsere Bauern von vorn herein die Verlierer im Marktwettbewerb. Das sind doch unlautere Methoden!," erklärt Jürgen Ludwig (DBD) unter zornigen Pfiffen. Jürgen Bernhardt vom Bauernverband e. V. plädiert dafür, dass die Bauern in der BRD und in der DDR, die nun gleichermaßen gegen Absatzschwierigkeiten kämpfen müssen, gemeinsam auftreten, um die Existenz ihres Berufsstandes hüben und drüben zu sichern.

      Keine zwanzig Minuten haben die vier Bauernvertreter gesprochen. An den Absperrpunkten geht es inzwischen heiß her: Wortgeplänkel zwischen Bauern und wartenden Autofahrern. Bedenklich stimmt, dass die bundesdeutschen in der Warteschlange mehr Verständnis für die Aktion der verunsicherten Bauern aufbringen als die Verbraucher aus unserem Land. Liegt es an deren größerer Erfahrung mit Bauern-Demos? Oder haben die unsrigen vergessen, dass sie bisher von den DDR Landwirten ganz gut versorgt wurden?
      (Bauern-Echo, Mo. 21.05.1990)

  • Wie weiter mit dem "Feriendienst"

    • Krisenstimmung herrschte am Freitagnachmittag, als im Berliner Haus der Gewerkschaften die Beratung über die Zukunft des Reisebüros "Feriendienst" stattfand. Anlass waren Presseveröffentlichungen in der vergangenen Woche, die Unruhe bei Gewerkschaftern sowie Mitarbeitern des Reisebüros auslösten: Mit dem Ende des FDGB solle auch das des Feriendienstes gekommen sein. "Eine unkorrekte Darstellung, die geschäftsschädigend ist", meinte der amtierende Generaldirektor des Feriendienstes Peter Kühnlt. Man behalte sich rechtliche Schritte vor. Entgegen diesen Veröffentlichungen gebe es zur Zeit weder Preiserhöhungen noch Einschränkungen bei der Vergabe von Ferienschecks. Reisen für Mai, Juni und Juli können entsprechend dem Angebot erworben werden.

      Unaufhaltbar, so die einhellige Meinung, seien Teuerungen für einen Ferienplatz nach der Währungsunion. Da aber nicht abzusehen ist, wie sich die Preise nach dem 1. Juli entwickeln werden, müsse eventuell mit Leistungsreduzierungen gerechnet werden abhängig von den gezahlten Subventionen. Deswegen müssten die Gewerkschaften für die staatlichen Zuschüsse kämpfen.

      Ein Gewerkschaftsvertreter gab zu bedenken, dass vom DGB bisher keine positiven Äußerungen zum "Feriendienst" zu hören waren. Deshalb müssten Konzeptionen erarbeitet werden, in welcher Form das Reisebüro "Feriendienst" weitergeführt werden könne. Schließlich gebe es im Feriendienst 17 500 Arbeitsplätze. Die gelte es zu erhalten.

      Noch weiterer Beratungen bedürfe es, wie das Reisebüro "Feriendienst" weiter existieren solle. Jedenfalls gibt es schon Vorstellungen, wie das Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bestehen kann. Konsequent müsse der Weg zur Kostendeckung der Reisen beschritten werden. Der internationale Trend gehe außerdem weg von der Vollpension, hin zur Übernachtung mit Frühstück. Dadurch könnten die Aufwendungen gesenkt werden.
      (Tribüne, Mo. 21.05.1990)

  • GEW gegründet

    • Etwa 50 Ost-Berliner Lehrerinnen, Erzieherinnen und Wissenschaftlerinnen gründeten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin/Ost. In die Satzung wurde eine Bestimmung aufgenommen, die eine Fusion mit der GEW Berlin bei der Wiederherstellung der verwaltungsmäßigen Einheit von Berlin vorsieht. Die Gründungsmitglieder verabschiedeten ein Sofortprogramm, das u. a. Kündigungsschutz und Erhalt des Arbeitsplatzes vorsieht.
      (Neue Zeit, Fr. 18.05.1990)

  • Landesbauernverband Mecklenburg/Vorpommern gegründet

    • Die berufsständischen Interessen gegenüber Parteien, politischen Vereinigungen, dem Parlament der Landesregierung wahrzunehmen, die demokratische Meinungsbildung innerhalb der Bauernschaft zu fördern, die Zusammenarbeit mit weiteren landwirtschaftlichen Verbänden zu erweitern und eine aktive Mitwirkung an der Gesetzesgebung zu gewährleisten, sieht der am Freitag gegründete Landesbauernverband Mecklenburg/Vorpommern als wichtige Aufgaben bei der Neuprofilierung der Landwirtschaft. Die bei der Gründung anwesenden 158 Delegierten vertraten über 140 000 Mitglieder des Bauernverbandes.
      (Bauern-Echo, Di. 22.05.1990)

  • Außenminister Markus Meckel es sind eine Menge Fragen zu klären. All das verlange Zeit.

    • London (ADN). DDR-Außenminister Markus Meckel hat sich gegen Vorstellungen gewandt noch in diesem Jahr gesamtdeutsche Wahlen durchzuführen. "Wir brauchen eine Sommerpause, um dann im Herbst wieder darüber nachzudenken", betonte Meckel gegenüber der britischen Wochenzeitung "The European". In der DDR seien erst einmal Länderwahlen notwendig. Die neuen Länderparlamente müssten dann ihre Zustimmung geben. Zwischen der Bonner Regierung und den Ländern seien eine Menge Fragen zu klären. All das verlange Zeit. Auch in Verbindung mit dem Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion gebe es noch viele Fragen, die einer Klärung bedürften, sagte Meckel weiter.

      Der DDR-Außenminister unterstrich ferner, dass es wesentlich sei, die Befürchtungen der Sowjetunion hinsichtlich ihrer Sicherheit in Rechnung zu stellen. Nach Meinung Meckels sollte Deutschland neutral sein und keine Kernwaffen auf seinem Territorium zulassen.
      (Neues Deutschland, Sa. 19.05.1990)

  • Minister für Abrüstung und Verteidigung verspricht soziale Abfederung bei der Abrüstung der NVA

    • Köln (NZ/ddp). Der DDR-Minister für Abrüstung und Verteidigung, Rainer Eppelmann (DA), hat versichert, dass die geplante Abrüstung der Nationalen Volksarmee (NVA) sozial abgefedert wird. Armee-Angehörige erhielten die Chance, sich noch als NVA-Mitglieder umschulen zu lassen, sagte Eppelmann im Deutschlandfunk in Köln. Entsprechende Umschulungsprogramme würden derzeit entwickelt. Außerdem sei für die NVA wie für den Staatsdienst generell Vorruhestandsregelung eingeführt worden. Geplant sei eine Reduzierung der NVA-Stärke von gegenwärtig 135 000 Mann auf zunächst 100 000 und in zwei bis drei Jahren auf 70 000 Mann.
      (Neue Zeit, Sa. 19.05.1990)

      Für eine Halbierung der DDR-Militärausgaben hat sich der DDR-Minister für Abrüstung und Verteidigung, Rainer Eppelmann, ausgesprochen. "Wir möchten jetzt nicht Millionen von Mark ausgeben und dann noch einmal die gleiche Summe nachher aufwenden müssen, um die Raketen zu vernichten", sagte Eppelmann im Deutschlandfunk. Nach seiner Einschätzung ist die NVA nicht mehr kriegsverwendungfähig, schon gar nicht gegen die zweite deutsche Armee.

      Eppelmann berichtete, dass Armeeangehörige der DDR die Chance erhielten, sich sozial abgesichert umschulen zu lassen. Entsprechende Umschulungsprogramme würden gegenwärtig erarbeitet. Wie er weiter betonte, würden NVA-Offiziere in zunehmendem Maße von westlichen Industrieunternehmen für leitende Stellungen in DDR-Betrieben geworben.
      (Berliner Allgemeine, Sa. 19.05.1990)

  • Eine Umweltkriminalpolizei gefordert

    • Eine Umweltkriminalpolizei und größere Vollmachten für ehrenamtliche Umweltschützer forderten vor kurzem Bürgerinitiativen und Experten vom Institut für Umweltschutz, der Kriminalpolizei und der Sektion Kriminalistik der Humboldt-Universität, die auf Initiative der Deutschen Natur- und Heimatfreunde zusammenkamen. Interessierte Bürger können sich mit Vorschlägen an die Umweltorganisation wenden: Johannisstraße 2, Berlin 1040, Telefon (...).
      (Junge Welt, Fr. 18.05.1990)

  • Dresden Bezirk mit den meisten Ausreisern

    • ADN/JW. Die neueste Statistik des Büros für Territorialplanung Dresden zum Massen-Exodus von DDR-Bürgern im vergangenen Jahr beschert dem Bezirk Dresden einen traurigen Rekord: 241 von 10 000 Bürgern gingen. Im Republikdurchschnitt waren es 153. In Mecklenburg und im Bezirk Suhl wanderten "nur" zwischen 63 und 90 von 10 000 aus. Bei einzelnen Städten ist Plauen "Spitze": 488 von 10 000 Einwohnern reisten aus. Es folgen Dresden und Görlitz mit 366 bzw. 325 Bürgern.
      (Junge Welt, Fr. 18.05.1990)

Marlboro, Camel und Stuyvesant beherrschen die Szene jedenfalls rein sonnenschirmmäßig betrachtet. Es ist unübersehbar, auch in der Zigarettenbranche stürmen die BRD-Unternehmen auf den Verbrauchermarkt DDR vor. Die Auswirkung des von einem augenscheinlich keine Kosten scheuenden Werbefeldzug begleiteten Marketings bekommen die 2 500 Beschäftigten der einheimischen Zigarettenhersteller drastisch zu spüren. Allein die Berliner Zigarettenfabrik, mit fünf Milliarden Stück Jahresproduktion die kleinste unseres Landes, setzt seit April nur noch vier Fünftel der sonst üblichen Zigarettenmenge ab. Den anderen beiden Herstellern im bisherigen Kombinat Tabak Nordhausen (10 Milliarden Zigaretten) und Dresden (27 Milliarden) geht es auch nicht anders.
(Berliner Zeitung, Fr. 18.05.1990)

In Rostock beginnt die erste Nationale Ostseekonferenz.

In der 37. Etage im Hotel Stadt Berlin rollt ab heute Abend die Kugel. Mindesteinsatz 5 DM. Höchsteinsatz 14 000 DM. Die Spielautomaten erwachen schon bei Einsatz von 1 DM zum Leben.

Zweites bilaterales Treffen zwischen der BRD, DDR und Polen. Von Polen wird der BRD-Vorschlag eines Grenzvertrages abgelehnt.

Bei einem Gespräch versucht der US-Außenminister James Baker Michail Gorbatschow die Mitgliedschaft der BRD in der NATO dadurch schmackhaft zu machen, indem er darauf hinweist, wenn Deutschland nicht fest in den europäischen Institutionen verwurzelt sein wird, können Bedingungen für eine Wiederholung der Vergangenheit entstehen. Die deutsche NATO-Mitgliedschaft verhindere dauerhaft den Aufbau einer nuklearen Streitmacht durch Deutschland.

Gorbatschow nennt die NATO-Mitgliedschaft des vereinten Deutschland ein Ding der Unmöglichkeit.

Baker fasst die Politik der USA in 9-Punkte zusammen. In Punkt 3 wird zugesagt, dass Deutschland auf biologische, chemische und nukleare Waffen verzichtet. Punkt 4: Keine NATO-Truppen sollen während einer Übergangsperiode auf dem Gebiet der DDR stationiert werden. Punkt 5: Es soll eine Übergangsperiode für den Abzug der sowjetischen Streitkräfte mit Deutschland festgelegt werden.

James Baker versicherte Michail Gorbatschow, die USA werde keine Einwände erheben, wenn das vereinte Deutschland sich entschließen sollte den Warschauer Vertrag beizutreten.

Sollte die Sowjetunion die USA nicht von ihren Argumenten überzeugen können, so werde ich Präsident Bush sagen, die Sowjetunion wolle in die NATO eintreten. Sie sagen, die NATO sei nicht gegen uns gerichtet.

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