Zur Demonstration gegen die Einschränkung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch rufen zu Sonntag 14.30 Uhr Vertreterinnen verschiedener Parteien und Bewegungen vor die Volkskammer. Das Recht auf legalen, unentgeltlichen Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen ist in unserem Land jeder Frau seit 1972 per Gesetz garantiert. Es war nicht unumstritten damals, als es in Kraft trat und wurde als erstes Gesetz in der Volkskammer nicht einstimmig angenommen. 14 Abgeordnete der CDU votierten dagegen, acht enthielten sich der Stimme. Zwar hörte der Unmut Vereinzelter gegen das "Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft" nie so recht auf, doch ernsthaft in Gefahr war es nie.
Doch die Situation hat sich geändert. Die beiden deutschen Staaten bereiten sich auf ihre Vereinigung vor. Nach den Koalitionsvereinbarungen der derzeitigen Regierung der DDR soll es ein Anschluss nach Artikel 23 des bundesdeutschen Grundgesetzes werden. Dies heißt im Klartext: Übernahme der BRD-Gesetzlichkeit. Und dort besteht halt der § 218, der Schwangere bei unerlaubtem Abbruch mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr bedroht. Erlaubt ist jedoch ein Abbruch der Schwangerschaft nach einer Indikationsregelung. Diese wiederum besagt, dass "der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Krise abgewendet werden kann." Andere Indikationen sind die Möglichkeiten der Schädigungen für das Kind, Schwangerschaft durch Vergewaltigung und die Abwendung einer sozialen Notlage. Will also eine Frau in der BRD abtreiben, so muss sie sich einer hochnotpeinlichen Prüfung ihres Gewissens, ihres Lebens und ihrer möglichen Lebensplanung unterziehen.
Nun wurde zwar von der neuen DDR-Regierung darauf verwiesen, dass es ihr auch bei einem Anschluss nach Artikel 23 um eine Angleichung der Gesetze gehe. Die SPD speziell wolle sich auch für das weitere Recht auf Schwangerschaftsabbruch einsetzen. Aber wie all unsere letzten Erfahrungen zeigen, werden die Vereinigungsregeln im Westen geschrieben. Und wie stellen es sich die "VereinigungsmacherInnen" eigentlich in der Zukunft vor? Auf dem ehemaligen Gebiet der DDR Schwangerschaftsabbruch ohne inquisitorische Befragung - wie gehabt auf Wunsch der Frau und auf dem Gebiet der ehemaligen BRD die dort jetzt bestehende Regelung, die bislang viele Frauen nach Holland und künftig dann nach Leipzig treibt? Die Koalitionsregierung meint doch nicht etwa, sie würde jetzt für die Schwestern im Westen so im Einheitstaumel Nr. 23 erreichen, wofür diese schon jahrelang streiten?
Die Frauen in der DDR beginnen sich schon mal sicherheitshalber gleich zu wehren. Die Demonstration am Sonntag vor der Volkskammer wird hoffentlich nur der Auftakt zu einer Reihe weiterer Aktionen werden.
Übrigens scheinen die Frauen der SPD ihren Männern in der Koalitionsregierung auch nicht so recht zu trauen. Sie haben sich neben UFV und DFD natürlich, sowie anderen Parteien und Bewegungen ebenfalls dem Aufruf zur Demonstration angeschlossen.
Umweltschützer begingen am Sonntag mit zahlreichen Aktionen in der DDR den "Tag der Erde". Unter der Losung "Heute bleibt der Motor kalt, wir radeln in den grünen Wald" beteiligten sich Umweltschützer aus Ost und West an einer Radsternfahrt vom Berliner Roten Rathaus zur Glienicker Brücke bei Potsdam, die für kurze Zeit blockiert wurde. Anlass dieser Ost-West-Aktion am "Tag der Erde" ist die drohende Gefahr, die auf das Berliner Umland durch den zu erwartenden motorisierten Massentourismus zu Land und zu Wasser zukommt.
Tausende Thüringer waren am Nachmittag der Einladung zu Volksfesten am "Tag der Erde" unter anderem in Erfurt, Weimar und Jena gefolgt. Umweltschützer machten auf wachsende Müllberge aufmerksam. Ehrfurcht vor allem Leben und neue Grundwerte der Lebensgestaltung wurden ebenso angemahnt wie neue Energiepolitik. Mit Fahrrad-Demonstrationen in Erfurt und Jena wurden neue Verkehrskonzepte angemahnt.
EINE LANZE für den Umweltschutz wurde am Sonntag Unter den Linden im Berliner Stadtzentrum gebrochen. Am "Tag der Erde", der in diesem Jahr erstmals weltweit begangen wird, boten zahlreiche Stände "grüne" Informationen en masse. Neben vielfältigen Plakaten und Broschüren vermittelten Öko-Videos Wissenswertes zu diesem globalen Thema. Die Veranstalter, unter ihnen Grüne Liga, Grüne Partei, Arche und ein Naturschutzzentrum aus West-Berlin, sammelten Unterschriften für die Rettung von Sero und das Anlegen eines grünen Mauerstreifens. Als Alternative zu üppigen Mahlzeiten wurden Obst und Säfte angeboten. Kinder verwandelten große Textwände phantasievoll in grüne Landschaften. Gute Naturschutz-Kenntnisse wurden mit einem Diplom belohnt.
Zu einer Ost-West-Fahrradsternfahrt waren am Vormittag Hunderte Teilnehmer, darunter viele Familien, vom Roten Rathaus in Richtung West-Berlin aufgebrochen. Ziel der Tour war die Glienicker Brücke in Potsdam.
Ganz im Sinne des Mottos "Wir haben nur eine Erde - lasst sie uns gemeinsam schützen" standen auch zahlreiche Gespräche und Diskussions- runden in West-Berlin. Im Ost-Berliner Haus der jungen Talente ging es am Abend unter anderem um Energie- und Müllkonzepte sowie künftige Nationalparks.
Zu einer Gedenkkundgebung für die Opfer des Stalinismus versammelten sich am Sonntag rund 100 Menschen vor der ehemaligen Haftanstalt der Staatssicherheit auf dem Karl-Marx-Städter Kaßberg. Aufgerufen hatte dazu der Bund der stalinistisch Verfolgten.
Pfarrer Schreiber von der St. Nikolai-Gemeinde Karl-Marx-Stadt brachte Betroffenheit über die Praktiken der Staatssicherheit zum Ausdruck. Er forderte die Aufdeckung der Namen der Stasi-Mitarbeiter und sprach sich dafür aus, endlich den Verantwortlichen, angefangen bei Erich Honecker, den Prozess zu machen.