Mit uns nicht
Die böse Ahnung ist zur Gewissheit geworden. Die NDPD hat auf ihren 14. außerordentlichen, im Wortsinn unordentlichen Parteitag klargestellt, wohin sie in Zukunft zu marschieren gedenkt. Nach rechts. Und das gar unverhohlen, ohne Rücksichten auf in ihren Reihen jetzt vielleicht noch spärlich vorhandene Andersdenkende.
Eine wendige, scheinheilige ehemalige Parteiführung hatte sich das Heft diese Parteitages blamabel kampflos aus der Hand nehmen lassen, obwohl dennoch mancher bis zuletzt auf sie hoffte. Darüber sollte man nicht erschüttert sein, mehr war von geübten Jain-Sagern nicht zu erwarten. So kam dann unaufhaltsam die Stunde derer, die seit der "Wende" endlich kein Blatt mehr vor dem Mund nehmen müssen, ihren überheblichen deutsch-nationalen, intoleranten und zumeist geistlosen Ansichten lautstark Ausdruck geben dürfen. Auch das gehört zum Pluralismus, und wir werden lernen müssen, damit zu leben.
Der neue NDPD-Parteivorsitzende brachte das hohe neue Lernziel in seinem Schlusswort auf den Punkt: Im bevorstehenden Wahlkampf dürfe man nun nicht zimperlich sein, es gelte, ihn aggressiv nach allen Seiten zu gestalten, aggressiv vor allem in Richtung SED-PDS.
An diese Ansprüche des jetzt wortführenden Mitherausgebers dieser Zeitung reichen wir nicht heran. Aber etwas Ähnliches hatte W. Glaeser wohl schon vorgesehen, als er öffentlich richtig vermutete, dass die überwiegende Mehrheit des DDR-Volkes die NDPD in ihrem jetzigen Zuschnitt ablehnen könnte. Sollte man von dieser Prämisse ausgehen nicht auch überlegen, ob das Wörtchen "demokratisch" im Parteinamen "endlich" überflüssig geworden ist? N(D)PD – na klar!
Die National-Zeitung made in DDR jedenfalls, beschimpft, verdächtigt, gemaßregelt seither, von links wie von rechts war eines nie: eine Plattform aggressiver, kulturloser Schreihälse. Wir werden nicht dazu beitragen, sie zu einer solchen zu machen.
Die Vollversammlung
der National-Zeitung
(National-Zeitung, Di. 23.01.1990)
Wir fördern weiterhin den Dialog der Vernunft
Verlag der Nationen an der Seite der National-Zeitung
Wir, die Parteifreunde im Verlag der Nationen, solidarisieren und mit der Stellungnahme der National-Zeitung "Mit und Nicht!“ gegen unverantwortliches Geschwätz mit rechtem Gedankengut und gegen hemdsärmelige Verlautbarungen des Vorsitzenden W. Glaeser.
Trotz seiner Stellungnahme steht sein Rücktritt auf der Tagesordnung – Fortsetzung und Korrektur der Personalentscheidung auf dem 14. Parteitag müssen schnell erfolgen.
Wir sind nicht bereit, unsere antifaschistischen Grundpositionen in Frage stellen zu lassen. Wir werden auch weiterhin mit unseren Publikationen den Dialog der Vernunft in unserem Lande und mit unseren Nachbarn fördern und fordern.
(National-Zeitung, Mi. 24.01.1990)
VOB National
Furcht vor Aggressivität
Mit großer Betroffenheit hat die Leitung der VOB National Verlauf und bisherige Ergebnisse des 14. Parteitages der NDPD zur Kenntnis genommen. Aus den Betrieben, Verlagen und Einrichtungen unserer Vereinigung erreichen uns Stimmen unserer Mitarbeiter, für eine sich rechtsradikal orientierte Partei nicht mehr arbeiten zu wollen. Sie befürchten, dass das Schlusswort des neuen Parteivorsitzenden nicht nur in seiner schlechten Vorbereitung begründet Ist, sondern dass in seinem Hinterkopf Begriffe wie Aggressivität u. ä. herumspuken. Die Leitung der VOB National fordert die Delegierten des 14. Parteitages der NDPD auf, die Folgen der bisherigen Beschlüsse zu überdenken und sie gegebenenfalls zu korrigieren. Sollte die Fortsetzung des Parteitages den Rechtsruck der NDPD bestätigen, so werden wir uns dem Ruf der Vollversammlung der National-Zeitung anschließen: Mit uns nicht! Wir wissen uns einig mit vielen Werktätigen der VOB National, für deren Loyalität zu unserer Partei wir nicht mehr garantieren können.
Dr.-Ing. Bernhard Peisker, amt, Genrealdirektor
(National-Zeitung, Mi. 24.01.1990)
Schlusswort des NDPD-Vorsitzenden Wolfgang Glaeser auf dem 14. Parteitag
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde, werte Gäste!
Erst einmal recht herzlichen Dank für das ausgesprochene Vertrauen. Respekt für die Parteifreunde, die mich nicht gewählt haben. Ich bitte sie aber herzlich, weiter aktiv in unserer Partei mitzuarbeiten. Ich stelle mir eine kollektive Führung vor und freue mich über die Wahl, aufrichtig über die Wahl von Günter Hartmann, Uwe Laßen und Dr. Fischer. Ich schätze sie als bewährte und fachlich kompetente Parteifreunde, in einer kollektiven Parteiführung unsere Partei zu den Wahlen und darüber hinaus zu führen. Ich danke allen Parteifreunden, die mich in diesen 24 Jahren geformt und unterstützt haben.
14 Wochen sind jetzt noch bis zu den Wahlen am 6. Mai. Dieser Zeitpunkt gehört zu den wichtigsten in der Geschichte der Partei, geht es doch an diesem Tag um den Bestand unserer Partei. Die Erneuerung unserer Partei erfolgte durch die Parteibasis, zu der ich mich zugehörig fühle. Ich werde die Parteibasis nicht vergessen.
Nach den vielen Diskussionen, die wir hier auf dem Parteitag geführt haben, denke ich, und den Eindruck habe ich ganz fest, dass wir einheitlich aus diesem Parteitag, der auch eine Fortsetzung finden wird, herausgehen. Das befreit uns von innerparteilichen Quälereien, und lasst unsere Konzentration unserer Krähe auf den Wahlkampf zu, einen Wahlkampf, den wir noch nie so geführt haben, bei dem wir sicher Rückschläge und sicher auch Püffe einstecken müssen, den wir aber aggressiv nach allen Seiten, besonders aber zur SED-PDS, gestalten sollten, und bei dem wir auch nicht zimperlich sein dürfen. Es kann passieren, dass 90 Prozent der Bürger gegen uns sind, aber fünf Prozent uns gerade deshalb wählen. Lassen wir uns von unserem Kurs, den der 14. Parteitag festgelegt hat, nicht abbringen. Nehmen wir jede Unterstützung an. Gezählt wird am Wahltag.
Ab morgen kann es nur noch ein Motto geben: Unsere Partei, die National-Demokratische Partei Deutschlands steht geschlossen und einheitlich, mit erhobenen Haupt, mit Kraft und Optimismus. Mit uns muss man rechnen. NDPD, na klar! Der Parteitag wird vertagt. Wir sehen uns wieder im März. Auf Wiedersehen, liebe Parteifreunde, und ran an die Arbeit.
(National-Zeitung, Mo. 22.01.1990)
"Mit mir nicht!"
Erklärung von Wolfgang Glaeser
Viele Briefe, Telegramme und Anrufe wurden nach dem 21. 1. 90 an das Parteihaus in Berlin oder an meine Brandenburger Adresse gerichtet. Das Für und Wider meiner Wahl zum Parteivorsitzenden war dabei breit gefächert. Ich bedanke mich bei den vielen Parteifreunden und Parteieinheiten, die mir gratulierten, mir Mut und Standvermögen wünschten und auch nach meinem Rücktritt mir ihre Unterstützung zusicherten. Ich respektiere aber auch die kritischen Stimmen zu meiner Wahl, die Proteste und Forderungen nach persönlichen Konsequenzen. besonders in Bezug auf mein Schlusswort. Die Wortmeldungen habe ich sehr aufmerksam gelesen.
Ich möchte noch einmal an meine Erklärung vom 23. 1. anschließen. Jawohl, gleichgültig unter welchen Umständen am Sonntag. dem 21. 1. 1990, meine Schlussbemerkungen zustande kamen, in welcher Hektik kurz vor 16.00 Uhr, ohne jegliche Unterstützung oder Zuarbeit der Mitarbeiter des Hauses der Partei, ich übernehme die politische Verantwortung ohne Wenn und Aber für diese Worte und stehe deshalb zu meinem Rücktritt.
Ich bleibe dabei: Ich lasse mich nicht für eine rechte Ecke personifizieren, oder einfach gesagt. Mit mir nicht! Wer mich kennt, der weiß, dass ich zutiefst antifaschistisch eingestellt bin und dass die Einhaltung der strikten Gewaltlosigkeit als Grundsatz für mich gilt.
Noch ein Wort zur "National-Zeitung", der heutigen "Berliner Allgemeinen".
Nicht nur ich bin entsetzt über die wüsten Beschimpfungen und über die Polemik des zentralen Presseorganes unserer Partei zu meiner Person. Als Feind der Partei Nr. 1 wurde ich förmlich in der Luft zerrissen und das über viele Tage lang. In eine objektive, nicht tendenziöse Berichterstattung gehörten dann aber auch die Veröffentlichungen der Zuschriften von Parteifreunden, die sich nachweislich für mich einsetzten. Sie fehlten fast völlig. Das von unserer Partei mit enormen Mitteln subventionierte Blatt schwang sich, nicht nur nach meiner Einschätzung, zu einer Institution auf, die nicht nachließ, in offenen Wunden herumzurühren und mit verantwortungslosen Artikeln und einer unverschämten Karikatur der Partei zu schaden.
Sie werden sicher Verständnis dafür haben, liebe Parteifreunde, dass ich mich nicht imstande fühlte, diesem Organ noch ein Interview zu geben.
Mit dieser Wortmeldung möchte ich an Sie appellieren:
- Beenden Sie bitte die Diskussionen um meine Person, die hilft uns in dieser Situation nicht weiter.
- Konzentrieren Sie sich heute auf die Wahl des neuen Vorsitzenden der Partei, der weiteren Mitglieder des Parteivorstandes und des Kontrollrates.
- Bezeugen Sie politische Verantwortung und Toleranz, um die Einheit der Partei zu bewahren.
- Ich persönlich setze mich dafür ein, dass wir gemeinsam in dem "Aktionsbündnis deutscher Demokraten" den Wahlkampf angehen.
Nach meiner Überzeugung ist dieses Bündnis die einzige Chance, unsere Partei zu erhalten.
In einem solchen Parteibündnis können wir aber nur Positionen besetzen, wenn wir einheitlich und stark bleiben. Diesem Ziel möchte ich dienen.
(Berliner Allgemeine, Mo. 12.02.1990)