Der außerordentliche Kongress des Verbandes der Journalisten der DDR (VDJ) hat am Freitag in Berlin mit der Wahl neuer Leitungsorgane und der Verabschiedung grundlegender Dokumente seine zweitägigen Beratungen beendet. In einer Erklärung distanzierten sich die Delegierten der 9 100 Verbandsmitglieder von jeder Bevormundung, dem Entstellen und Verschweigen von Tatsachen. Journalisten hätten sich durch die Verherrlichung der stalinistisch geprägten Politik mitschuldig an der Deformierung der Gesellschaft gemacht. "Dafür bitten wir um Entschuldigung", heißt es in einer Erklärung.
Joachim Herrmann, Heinz Geggel, Dieter Langguth, Kurt Blecha und Eberhard Fensch wurden, als Verantwortliche für den Medienmissbrauch in der Vergangenheit vom Kongress aus dem Berufsverband ausgeschlossen. Weitere Mitglieder, die maßgeblich Verantwortung für die frühere Informationspolitik trugen, sollen vom Zentralvorstand und den Bezirksvorständen ausgeschlossen werden.
Zum neuen VDJ-Vorsitzenden wurde in offener Abstimmung bei vier Gegenstimmen und elf Enthaltungen der Berliner Rundfunkjournalist Gerd Kurze gewählt.
Der Journalistenverband wird sich künftig mit aller Konsequenz für die Durchsetzung elementarer Rechte wie Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit einsetzen, heißt es in einer ebenfalls verabschiedeten Entschließung. Journalismus sei eine Form gesellschaftlicher Kontrolle, und die Journalisten der DDR verpflichteten sich zur Achtung des Rechts der Bürger auf menschliche Würde und der universellen Werte der Menschheit. Mit Ernst und Sorge wurden vom Kongress existentielle Fragen des Journalismus in der DDR diskutiert, vermerkt die Entschließung.
(Neues Deutschland, Sa. 27.01.1990)
In der Berliner Kongresshalle beendete der Verband der Journalisten der DDR am Freitag seinen Außerordentlichen Kongress. Die Delegierten der 9 100 Verbandsmitglieder erklärten:
Wir sind nur der Öffentlichkeit, der Wahrhaftigkeit und unserem Gewissen auf der Grundlage geltenden Rechts und humanistischer Ideale verpflichtet. Wir wollen mit unserer Arbeit die Kultur des politischen Streits entwickeln und zur demokratischen Meinungs- und Willensbildung in der Gesellschaft beitragen.
Wir distanzieren uns von jeder Bevormundung, dem Entstellen und Verschweigen von Tatsachen, wie sie bis zum Herbst 1989 alle Medien unseres Landes beherrschten.
Bis dahin haben DDR-Journalisten am Bild eines Scheinsozialismus mitgemalt - mehr oder weniger willig, mehr oder weniger gezwungen. Einige Mutige erhielten Berufsverbot, andere passten sich an.
Journalisten wurden durch die Verherrlichung der stalinistisch geprägten Politik mitschuldig an der Deformierung der Gesellschaft. Dafür bitten wir um Entschuldigung.
Der Verband trennt sich von jenen Mitgliedern, die den Journalismus in der DDR missbrauchten und entwürdigten.
Der Verband ist offen für alle Kolleginnen und Kollegen, die sich zu den Beschlüssen des Außerordentlichen Kongresses bekennen.
Im Verlauf der Diskussion sprachen sich die Delegierten mehrheitlich für ein Streikrecht für Journalisten aus. In einem weiteren Beschluß wurde der neue Zentralvorstand beauftragt, kurzfristig über Bildung und Modalitäten eines Unterstützungsfonds für arbeitslose Journalisten zu beraten.
Der Verband wird sich künftig mit aller Konsequenz für die Durchsetzung elementarer Rechte wie Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit einsetzen. Er versteht Journalismus als eine Form gesellschaftlicher Kontrolle. Die Delegierten des Kongresses forderten die demokratisch gewählten Leitungen auf, sofort mit der Umgestaltung des VDJ in einen Verband mit gewerkschaftlichen Positionen zu beginnen. Das kann innerhalb einer neu zu schaffenden IG Medien oder organisatorisch selbständig geschehen.
Mit sofortiger Wirkung wurden Joachim Herrmann, Heinz Geggel, Dr. Kurt Blecha, Dr. Dieter Langguth und Eberhard Fensch wegen Deformierung und grober Schädigung des Ansehens des Journalismus in der DDR aus dem Berufsverband ausgeschlossen.
Gewählt wurde abschließend die Revisionskommission und der neue Zentralvorstand, dessen Vorsitzender der Rundfunk-Journalist Gerd Kurze ist.
(Junge Welt, Sa. 27.01.1990)