03.10. Schließung der Grenze zur ČSSR
04.10. Die Aussetzung des pass- und visafreien Verkehrs mit der ČSSR wird ab sofort auch auf den Transitverkehr von Bürgern der DDR nach Bulgarien und Rumänien erweitert
06.10. Offizielle Festveranstaltung zum 40. Jahrestag der DDR-Gründung und Fackelzug der FDJ
11.10. Das Politbüro der SED gibt eine Erklärung ab
12.10. DDR-Bürger, die berechtigt sind ins nichtsozialistische Ausland zu reisen, dürfen eine Reise in die ČSSR beantragen.
17.10. Das Politbüro der SED nimmt einstimmig den Vorschlag an das ZK, Erich Honecker, Günter Mittag und Joachim Herrmann von ihren Funktionen zu entbinden, an
18.10. Das ZK der SED stimmt der Entbindung Erich Honecker von seinen Ämtern fast einstimmig zu und Egon Krenz wird zum Generalsekretär der SED gewählt
24.10. Egon Krenz wird zum Vorsitzender des Staatsrats und Nationalen Verteidigungsrates gewählt
26.10. DDR-Bürger, die sich in der Tschechoslowakei aufhalten und nicht in die DDR zurück kehren möchten, können in der DDR-Botschaft in Prag einen Antrag auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft stellen.
27.10. Die Reisebeschränkungen für DDR-Bürger in die Tschechoslowakei werden zum 01.11. aufgehoben
01.10. Eine Gründungsinitiative für eine Grüne Partei bildet sich
01.10. Die konstituierende Versammlung des Demokratischen Aufbruch wird durch die Staatssicherheit verhindert
02.10. Aufruf zum Demokratischen Aufbruch - sozial, ökologisch
04.10. Vertreter der Opposition verabschieden eine Gemeinsame Erklärung
07.10. Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR
08.10. Am Abend bildet sich die Gruppe der 20 in Dresden
10.10. Gründungsaufruf für West-Berlin des Neuen Forum
11.10. Gründung der lila offensive
17.10. Aufruf zur Gründung unanhäniger Gewerkschaften, VEB GRW
20.10. Gründung der Initiative für unabhängige Gewerkschaften
26.10. Gespräche zwischen Neuem Forum und der SED
27.10. Auf einer Veranstaltung der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt wird ein Volksentscheid zur führenden Rolle der SED gefordert. Wolfgang Ullmann schlagt die Bildung eines Runden Tisches vor.
28.10. Die Initiative Frieden und Menschenrechte konstituiert sich republikweit
29.-30.10. Konstituierende Versammlung des Demokratischen Aufbruch
Mo. 2. Oktober 1989
Link zur Wochenübersicht des MfS Nr. 40/89 vom 02.10.1989
-
-
Demonstration in Leipzig
-
Trotz größten Polizeiaufgebots und eines zuvor heißgelaufenen Propagandaapparates beteiligten sich am Montag Abend 15 000 bis 20 000 Menschen an einer Demonstration in Leipzig. In Sprechchören forderte die Menge: "Neues Forum zulassen", "Demokratie - jetzt oder nie", "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" und rief nach "Gorbi, Gorbi". Fast drohend muss das tausendfache "Wir bleiben hier!" in den Ohren der Staatsmacht geklungen haben. Nach drei Stunden endete der Marsch durch die Innenstadt mit einigen Festnahmen.
Lange vor Beginn des traditionellen Friedensgebetes in der Nikolaikirche wurde die Kirche wegen Überfüllung geschlossen. Während der Andacht forderten Redner die Freilassung der seit dem 11. und 18. September Inhaftierten. (Bisher erhielten elf Personen Haftstrafen zwischen vier und sechs Monaten.) In der ebenfalls nach wenigen Minuten randvollen Reformierten Kirche fand parallel ein Friedensgebet statt. Unterdessen warteten Tausende auf dem Nikolaikirchplatz. Die "Internationale" singend zog der Strom auf den Karl-Marx-Platz.
Festnahmen bestätigte die 'Leipziger Volkszeitung' gestern morgen. Unter der Überschrift: "Ordnung und Sicherheit gestört", schreibt das Blatt, eine "ungesetzliche Zusammenrottung größerer Personengruppen" habe in der City "die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört und den Straßenverkehr beeinträchtigt". Die "Zusammenrottung" sei "durch das besonnene Vorgehen der Deutschen Volkspolizei und mit Unterstützung der Kampfgruppen der Arbeiterklasse" aufgelöst worden. Der "Einsatz von Hilfsmitteln der Deutschen Volkspolizei war unumgänglich. Es waren Zuführungen (DDR-Amtsjargon für vorläufige Festnahmen, d. Red.) erforderlich. Die strafrechtlichen Konsequenzen werden geprüft." Mit ähnlichen journalistischen Glanzleistungen hatte die 'LVZ’ in der Vorwoche den Schweigemarsch der 5 000 bis 8 000 gewürdigt.
In der Gethsemane-Kirche in Ost-Berlin begann am Montag eine Mahnwache für die etwa 30 zum Teil seit Juni in verschiedenen Städten im Gefängnis sitzenden Bürgerrechtler und Demonstranten. In täglichen Andachten wird die "Freilassung der Inhaftierten, keine Abschiebung der Betroffenen gegen ihren Willen, Einstellung der Ermittlungsverfahren, Aufhebung aller Haft- und Geldstrafen" gefordert.
Unter anderem wird an die Verhaftung eines 26jährigen Ostberliners erinnert. Er demonstrierte wegen vermuteter Wahlfälschung und trug ein Schild mit der Aufschrift: "Zu dumm zu addieren, aber ein ganzes Land regieren".
Aus Leipzig Inge Holstein
(die tageszeitung, 04.10.1989)
Wegen Überfüllung wird die Nikolaikirche in Leipzig eine Stunde vor Beginn des Friedensgebetes geschlossen. Es wird auf eine weiteres Friedensgebet in der Reformierte Kirche verwiesen.
-
Starker Anstieg von Ausreisewilligen in den BRD-Botschaften in Prag und Warschau
-
Nach der spektakulären Massenausreise vom Wochenende ist die Zahl der DDR-Flüchtlinge in den Bonner Botschaften in Prag und Warschau am Montag wieder stark angestiegen. Obwohl ČSSR-Polizisten teilweise mit Gewalt versuchten, DDR-Bürger am Betreten der Botschaft zu hindern, befunden sich am Nachmittag mehr als 1 000 Menschen in der Vertretung. In Gesprächen auf "allen Ebenen" bemühte sich die Bundesregierung eine Lösung zu finden, hieß es. Die DDR warf Bonn Wortbruch vor und forderte, dass die Zugfluchtsuchenden wieder in die DDR ausgewiesen werden.
Auch nach der von der DDR als "Ausweisung" titulierten Ausreisegenehmigung für über 8 300 DDR-Bürger aus Prag und Warschau, die Ost-Berlin am Samstag erteilt hatte, ist das Flüchtlingsproblem noch längst nicht gelöst Die Bundesregierung bemühte sich am Montag in Gesprächen "auf allen Ebenen", wie es hieß, um die Ausreise auch für die neuen Flüchtlinge in den Bonner Vertretungen in der ČSSR und Polen.
In Prag erreichten am Montagnachmittag immer wieder Gruppen von etwa 30 Personen die Botschaft. In Warschau tauchten mehr als 100 Ausreisewillige auf. Nachdem in Prag aufgrund von Protesten der Bundesregierung die Abriegelung der Botschaft durch ČSSR-Polizei aufgehoben wurde, waren zunächst einige DDR-Bürger über den Botschaftszaun auf das Gelände der Vertretung gelangt. Zuvor hatte es offenbar handgreifliche Einsätze der Polizei gegeben. Augenzeugen und Flüchtlinge berichteten, die Miliz versuche teils mit Gewalt die Neuankömmlinge am Überklettern des Zauns zu hindern. Auch von Fußtritten und Faustschlägen war die Rede. Von der Miliz festgenommene DDR-Bürger wurden nach den Angaben in entfernt liegenden Stadtteilen ausgesetzt.
Nach Angaben von Jürgen Chrobog, Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn, hat die ČSSR zugesichert, den freien Zugang zur bundesdeutschen Botschaft in Prag nicht zu beschränken. Chrobog sagte am Montag in Bonn, das Auswärtige Amt werde den Berichten aber gewaltsame Behinderungen nachgehen und gegebenenfalls in "schärfster Form" protestieren.
(Frankfurter Rundschau, Di. 03.10.1990)
-
DDR BRD-Seiten hält sich nicht an Absprachen und Zusagen
-
Der Leiter der Ständigen Vertretung der DDR in der BRD, Botschafter Horst Neubauer, legte in einem Gespräch mit dem Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des BRD-Bundeskanzleramtes, Rudolf Seiters, am Montag entschiedene Verwahrung dagegen ein, dass von BRD-Seiten Absprachen und Zusagen im Zusammenhang mit der Ausweisung ehemaliger DDR-Bürger aus den BRD-Botschaften in Prag und Warschau nicht eingehalten wurden. Er wandte sich nachdrücklich dagegen, dass von verantwortlichen BRD-Politikern bewusste Falschdarstellungen über den Ablauf der Aktion am 30.9./1.10. in Umlauf gebracht werden.
Botschafter Neubauer wies darauf hin, dass es sich um eine einseitige Entscheidung der DDR gehandelt habe, die ausschließlich aus humanitären Gründen getroffen wurde, nicht zuletzt im Interesse von Kleinkindern. Diese Entscheidung war Bundesminister Seiters am Vormittag des 30. September durch den Leiter der Ständigen Vertretung der DDR in der BRD, Botschafter Horst Neubauer, im Auftrage der Regierung der DDR mitgeteilt worden, wenn der bei dieser Unterredung anwesende BRD-Außenminister Genscher nunmehr den "Ruhm" in Anspruch nimmt, durch angestrengte Verhandlungen in New York und anderswo die bekannte Regelung durchgesetzt zu haben, so entspricht dies schlicht der Unwahrheit.
In den Gesprächen mit Bundesminister Seiters war darauf verwiesen worden, dass die DDR davon ausgeht, dass seitens der Regierung der BRD Schlussfolgerungen für den normalen, den internationalen entsprechenden Betrieb in ihren Botschaften in Prag und Warschau gezogen werden. Dazu gab es eine entsprechende Abstimmung. Auch dies wurde von BRD-Seite nicht eingehalten. Botschafter Neubauer verwies Bundesminister Seiters darauf, dass dies auf DDR-Seite als grober Vertrauensbruch betrachtet wird. Er forderte nachdrücklich, dass die sich inzwischen wieder in den BRD-Botschaften in Prag und Warschau befindlichen DDR-Bürger aus den Botschaften verwiesen werden und in die DDR zurückkehren, wo sie ihre Anliegen vorbringen können, über die entsprechend bekannten Zusicherungen entschieden werden wird. Botschafter Neubauer betonte, dass vernünftige Lösungen auch bei schwierigen Fragen nur bei gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Verlässlichkeit gefunden werden können. Bestrebungen, humanitäre Lösungen für politische Demonstrationen und Medienspektakel zu missbrauchen, verbauen den Weg für sachliche Zusammenarbeit.
(Neues Deutschland, Di. 03.10.1989)
-
Ehrung für Carl von Ossietzky
-
Ein Denkmal für den linksbürgerlichen Publizisten, Humanisten und Antifaschisten Carl von Ossietzky ist am Montag in Berlin anlässlich seines 100. Geburtstages enthüllt worden. Ossietzkys kämpferisches Leben, sein unbeugsamer Glaube an ein Leben ohne Krieg und die grüblerische Unrast in dessen Publizistik waren für den Potsdamer Bildhauer Klaus Simon künstlerisches Konzept für die große Plastik, die ihren Platz vor dem Schlosspark in Berlin-Pankow erhalten hat. An der feierlichen Einweihung nahmen Günter Schabowski, Mitglied des Politbüros und Sekretär des Zentralkomitees der SED, 1. Sekretär der Bezirksleitung Berlin, die Mitglieder des Zentralkomitees Dr. Hans-Joachim Hoffmann, Minister für Kultur, und Erhard Krack, Oberbürgermeister von Berlin, sowie Dr. Werner Wünschmann, Mitglied des Präsidiums und Sekretär des CDU-Hauptvorstandes, teil. Anwesend waren ferner Angehörige Ossietzkys, darunter die Tochter Rosalinde von Ossietzky-Palm, sowie der Bildhauer Klaus Simon.
Prof. Dr. Günther Drefahl, Präsident des Friedensrates der DDR, würdigte vor der bronzenen Statue Ossietzkys dessen unermüdliches und unerschrockenes Streiten für die Sache des Friedens und der Humanität.
(Neue Zeit, Di. 03.10.1989)
Wegen des großen Andrangs wird eine Veranstaltung des Neuen Forum von einem Raum der Schweriner Paulskirche in die Kirche selbst verlegt. Es werden Arbeitsgruppen gebildet. Es ist die erste öffentliche Veranstaltung des neuen Forum in Schwerin.
Von staatlicher Seite wird versucht die Veranstaltung zu verhindern.
Im Gemeindezentrum Wörmlitz in Halle stellen Katrin und Frank Eigenfeld das Neue Forum vor.
Ein Koordinierungstreffen der Initiative für eine Vereinigte Linke findet in der Berliner Umweltbibliothek statt.
Auch die "Kirche von Unten" führt ein Treffen durch.
In der Nacht zum 03.10. werden in Plauen Flugblätter verteilt, die zur Teilnahme an der Demonstration am 07.10. auf dem Theaterplatz aufrufen. Es werden Versammlungs-, Demonstrations- und Streikrecht, Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit, sowie die Zulassung des Neuen Forum und anderer Oppositionsgruppen gefordert.
Die Bürgerinitiative "Frauen für Veränderung" Erfurt veröffentlicht einen Offenen Brief, in dem eine öffentliche Diskussion mit allen Menschen im Lande, die für Veränderungen wollen, gefordert wird. Sie dürfen nicht mehr kriminalisiert werden. Es wird sich mit allen Menschen, Gruppen und Initiativen, die sich für eine gewaltfreie, ökologische und soziale Umgestaltung einsetzen, solidarisiert.
Die Beschäftigten des Theaters Schwedt verfassen einen Offenen Brief, der mit dem Satz endet: "Die Zeit ist reif für einen gesamtgesellschaftlichen Dialog".
Ab diesem Tag ist die Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg rund um die Uhr geöffnet.
Nach Angaben des Bundesgrenzschutzkommandos Süd in München, kamen 22 000 DDR-Bürger im September über Ungarn nach Österreich und von dort in die BRD.
An den Botschafter der Bundesrepublik in Prag geht in der Nacht zum 03.10. die Weisung, die Botschaftspforte zu schließen. Auf dem Botschaftsgelände befinden sich rund 5 000 DDR-Bürger.
Die USA bittet die Tschechoslowakische Führung ihre Botschaft, die in der Nähe der Bundesdeutschen Botschaft in Prag liegt, gegen eventuell zufluchtsuchende DDR-Bürger abzuschirmen.
Erich Honecker empfängt den Präsidenten der Maxwell Communication Corporation, Robert Maxwell. Er überreicht das erste Exemplar einer zweibändigen DDR-Enzyklopädie "Information GDR".
Δ nach oben